 |
Rollentausch
(von Daniel Benkmann, worm@daniworm.de)
Es ist wahrlich eine Schande! Monate sind vergangen und kein neuer pseudophilosophischer
Artikel aus meiner Hand hat das Licht der Welt erblickt (Mein Dank gilt
den Gastdozenten, die diese Rubrik nicht völlig aussterben ließen).
Und das, obwohl mir Dutzende von geplagten Meistern geschrieben haben,
wie ungerecht doch die Welt ist und wie schlecht ihre Spieler (An dieser
Stelle nochmals Danke für die große Resonanz auf meine Artikel!),
somit also genug Anlaß bestanden hätte, einen neuen Artikel
zu schreiben. Welch verfluchter Dämon hat mich da wohl geritten, zumal
sich gerade bei mir recht viel im Rollenspielbereich getan hat? Nun ja,
wie auch immer, nun sitze ich ja wieder an meinem geliebten Uraltkeyboard
(mit klickenden Tasten und ohne Windows-Symbol) und versuche meine Gedanken
zu (virtuellem) Papier zu bringen (- wie ihr seht, hat sich auch meine
Vorliebe für Klammerausdrücke nicht geändert). Ich hoffe
nur, daß ich das Schreiben nicht völlig verlernt habe und bitte
um Nachsicht, wenn meine Texte nicht gleich wieder die alte Qualität
aufweisen (sofern sie jemals irgendeine Qualität besessen haben).
Zuerst einmal kurz das wichtigste, das sich bei mir in rollenspielerischer
Hinsicht getan hat: Ich hatte seit langer, langer Zeit mal wieder die Ehre
vor und nicht hinter dem Sichtschirm des Spielleiters zu sitzen und konnte
mich ein ganzes Abenteuer lang als durchgeknallter Phexgeweihter (Phex
ist u.a. der Gott der Diebe) austoben. Außerdem habe ich in einer
anderen DSA-Gruppe ein kleines Gastspiel als Spieler gegeben und durfte
dort wieder einmal feststellen, daß eigentlich jede Gruppe mit denselben
Problemen zu kämpfen hat. Wo wir gerade bei Problemen in der Gruppe
sind: Am Horizont scheint sich doch glatt eine Wiederauferstehung unserer
Shadowrungruppe abzuzeichnen - mal sehen, was daraus wird ...
Man sieht also, es gäbe Vieles, worüber ich jetzt schreiben
könnte, aber ich habe mich entschlossen zunächst einmal ein Thema
in Angriff zu nehmen, mit dem ich mich bis dato eigentlich kaum beschäftigt
hatte: mit dem von allen geliebten und unersetzlichen Spielleiter.
Als Spieler hatte ich natürlich in Hinblick auf dieses Thema eine
völlig andere Perspektive und meine Augen haben sich für so manche
Dinge geöffnet, die mir vorher kaum bewußt waren. Aus diesem
Grund kann ich jedem Spielleiter nur wärmsten ans Herz legen, unbedingt
auch hin und wieder den Spieler zu mimen und sich nicht nur auf das "meistern"
zu beschränken. Ich zum Beispiel hatte durch jahrelanges Dauermeistern
fast völlig die Perspektive für die Probleme verloren, die so
einen Spieler doch plagen. In meiner Fantasie habe ich mir immer wieder
das "perfekte" Rollenspiel ausgemalt und jedesmal wenn mich meine Spieler
in meinen Vorstellungen enttäuschten, wurden sie gleich zur Sau gemacht
ohne daß ich groß über ihren Standpunkt nachgegrübelt
hätte (Vielen Dank an dieser Stelle dem anonymen Spieler, der mich
in einer eMail mit wüsten Schimpforgien darüber aufgeklärt
hat, wie arrogant doch alle Spielleiter sind - schade, daß du dich
nicht getraut hast, deine Adresse anzugeben ...).
Dies hier soll jetzt aber in keinster Weise eine Entschuldigung für
die teils extrem bescheuerten Handlungen meiner Spieler sein, über
die ich auch in meinen Artikeln berichtete, sondern ich will nur sagen,
daß Rollenspiel wirklich keine einfache Sache ist - weder für
Spieler noch für Spielleiter - und daß man von niemanden
erwarten kann, daß er zu jeder Zeit "perfektes" Rollenspiel bietet.
Als idealistischer Dauerspielleiter wie ich vergißt man das gerne
- und das halte ich für gefährlich, da es sehr schnell die Lust
der Spieler am Rollenspiel zerstören kann. Niemand will andauernd
nur kritisiert werden.
Deshalb ist es wichtig, daß man von Zeit zu Zeit auch mal seine
Perspektive ändert, um einschätzen zu können wie realistisch
denn eigentlich die Ansprüche sind, die man so an die "Gegenseite"
stellt. Das gleiche gilt im Übrigen auch für die Spieler! Ich
finde, es sollte für jeden Rollenspieler zum Pflichtprogramm gehören
wenigstens einmal ein Abenteuer zu leiten und somit mit den Problemen
eines Spielleiters konfrontiert zu werden. Dadurch bekommt man Respekt
vor der Arbeit des SLs und wird sich vielleicht als Spieler in der nächsten
Szene, in der der Meister mühsam versucht eine Atmosphäre aufzubauen,
den dummen Witz, der einem gerade auf den Lippen liegt, leichter verkneifen
können (siehe Atmosphärekiller). Man
muß sich als Spielleiter notgedrungen viel intensiver mit allen Aspekten
des Rollenspiels beschäftigen (nicht nur mit den Regeln, sondern eben
auch mit Dingen wie Atmosphäre), so daß man für das spätere
Spielen eines Charakters eigentlich nur Vorteile daraus ziehen kann. Auch
wird jemand der am eigenen Leib erfahren mußte, wie nervig Powergamer
für den Spielleiter sind, wohl bereitwilliger von solchen Praktiken
ablassen, wenn er wieder Spieler ist.
Da meine Artikel aber scheinbar am meisten von Spielleitern gelesen
werden, will ich nochmals meinen anfänglichen Aufruf an die Spielleitergemeinde
wiederholen: Leute, ihr müßt auch mal von eurem hohen Roß
herunterkommen und euch sozusagen unters Volk mischen, damit ihr seine
Probleme besser versteht.
Alle die jetzt Angst bekommen haben, daß ich in Zukunft nicht
mehr über meine idiotischen Spieler herziehen werde, seien beruhigt
- da ist noch eine Menge zu erzählen ...
|