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Atmosphärekiller
(von Daniel Benkmann, worm@daniworm.de)

Unlängst geschah es in einer Rollenspielsitzung, in der ich das Privileg hatte der Spielleiter zu sein, dass ich erneut Zeuge der Schrecken wurde, welche die hinterlistige Spezies genannt "Spieler" für den armen, geplagten Spielleiter in petto haben.

Wir spielten gerade ein Abenteuer, in dem es weniger auf das Vermöbeln von Leuten oder Durchforsten von Kellern ankommt, sondern das eher von detektivischer Natur ist. Man kann sich vorstellen, dass in einem solchen Abenteuer die angemessene Atmosphäre relativ wichtig ist.

Nun, nachdem die Helden schon einige seltsame Dinge erlebt hatten und immer noch nicht genau wussten, um was es eigentlich geht, habe ich mir als Spielleiter gedacht, dass ich die Helden langsam auf das Finale vorbereiten sollte und habe deswegen geplant, ein Ereignis in das Abenteuer einzubauen, dass die Helden etwas deprimieren (die ganze Kampagne, die wir gerade spielen ist ziemlich deprimierend) und ihnen ihre Verletzlichkeit bewusst machen sollte. Also ließ ich einen alten Geliebten einer Heldin plötzlich auftauchen, was diese auch wirklich erfreute. Aber nach diesem positiven Erlebnis sollte die Helden das Folgende um so härter treffen.

Wie es genau dazu kam, will ich hier gar nicht genau erörtern, aber die Heldin war schließlich gezwungen ihren Geliebten zu töten, weil sie ihm nicht mehr anderweitig helfen konnte. Dies sollte die Heldin zutiefst erschüttern und ihr so einige Selbstzweifel einbringen.

So weit zur Theorie. Aber was geschieht? Die Heldin ruft kurz nach der schrecklichen Tat erfreut aus: "Geil, jetzt habe ich zwei Langschwerter!", weil sie sich natürlich sofort über die Ausrüstung ihres verschiedenen Geliebten hergemacht hat. Zur Verteidigung des Spielers sei zwar noch gesagt, dass er sich dann doch Mühe gegeben hat, etwas Trauer auszudrücken, aber ein "Ich trauere um ihn", das mit Lachtränen in den Augen ausgesprochen wird, weil am Spieltisch natürlich freudig weitergescherzt wird, ist auch nicht so das Wahre.

Man verstehe mich jetzt nicht falsch. Ich bin natürlich der Meinung, dass Rollenspiel Spaß machen sollte und würde es wahrscheinlich auch nicht begrüssen, wenn meine Spieler alle mit steifer Miene vor mir sitzen und sich gegenseitig ausreden lassen würden, keine dummen Witze machen, ihre Helden charaktergerecht spielen, nicht die ganze Cola schon in der ersten halben Stunde aussaufen und sich nicht ständig Schimpfwörter ins Gesicht schleudern würden (Hmmm, wenn ich genau darüber nachdenke, wäre das zur Abwechslung vielleicht echt nicht so schlecht...). Aber an einigen Stellen oder sogar in einigen ganzen Abenteuern muss man nunmal ernsthaft sein, selbst wenn einem eine lustige Bemerkung auf den Lippen liegt.

Im Endeffekt ist das Rollenspiel in dieser Hinsicht genauso wie wenn man sich einen guten Film anschaut. Manche Filme bieten viele Witze, Action oder einfach megacoole Szenen. Es besteht kein Zweifel daran, dass einem solche Filme unheimlich viel Spaß machen können. Aber es gibt auch Filme, die so etwas nicht bieten und auf die man sich konzentrieren muss, ja die sogar teilweise echt schwer zu verstehen sind. Aber wenn man sich einen solchen Film angeschaut hat, dann hat man meistens nach dem Film (sofern er gut war) so ein seltsames Gefühl im Bauch. Irgendetwas hat einen bewegt und man macht sich Gedanken über den Film oder schwelgt einfach in diesem Gefühl, der Katharsis.

Oft ist es so, dass einem Komödien oder Actionfilme zwar kurzzeitig unheimlichen Spaß bereiten können, aber schlussendlich hat man doch von einem Film, der zum Nachdenken anregt oder dessen Atmosphäre auf einen eingewirkt hat auf lange Sicht mehr. Genauso ist es beim Rollenspiel. Zwar mag es Spaß machen immer Witze zu reissen oder irgendwelche komischen Dinge zu tun, aber manchmal bringt es einem eben weitaus mehr, wirklich gut rollenzuspielen und eine Atmosphäre zu erschaffen, an die man sich noch lange erinnern wird - selbst wenn dies einige Anstrengung von Spieler und Spielleiter erfordert.


© 1997 / 2001 by Daniel "Worm" Benkmann

 

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