Geburt und Tod

Kutrido D'Eru schritt ungeduldig im Raum auf und ab. Von jenseits der dicken Holztür drangen schmerzerfüllte Schreie an sein Ohr, die Schreie seiner über alles geliebten Ehefrau. Es schmerzte ihn innerlich, dass seine Frau so leiden musste, doch andererseits war er auch von Vorfreude erfüllt. Endlich, nach all den Jahren, würde ihm ein Sohn geschenkt werden, ein Nachfolger, der eines Tages seinen Platz als Regent von Alruusi VII übernehmen könnte.

Die Schreie wurden immer lauter. Kutrido D'Eru konnte die Hebamme hören wie sie versuchte, beruhigend auf seine Frau einzureden. Er würde das nicht mehr viel länger aushalten. Hätten die geeigneten Geräte zur Hilfe genommen werden dürfen, dann wäre das Kind jetzt sicher schon längst zur Welt gekommen und seine Frau von den Schmerzen erlöst worden. Doch die Tradition seines Volkes verlangte nun mal, dass bei der Geburt keine technischen Hilfsmittel verwendet werden. Und von ihm als Regent erwartete man natürlich, dass er diese Traditionen befolgte - auch wenn sich sonst auf dem Planeten so gut wie niemand mehr daran hielt seit Alruusi VII Mitglied der Galaktischen Republik geworden war und der Bevölkerung nun die neuesten Technologien zur Verfügung standen.

Erneut hallte ein heller Schrei durch die Hallen des Palastes der D'Eru. Kutrido ballte die Fäuste und blickte mit Verachtung auf Yantala, die träge in einer Ecke des Raumes lag. Yantala war eine Grett, ein hässliches echsenartiges Tier mit schwarzen Schuppen, das sich die Leute in einer entfernten Gegend von Alruusi gerne als Haustier hielten. Kutrido hasste dieses Vieh und behielt es nur, weil er es von einem Botschafter geschenkt bekommen hatte. Wie konnte Yantala in diesem Augenblick nur so ruhig daliegen, als würde nichts geschehen, als würde Kutridos Frau sich nicht gerade die Seele aus dem Leib schreien. Warum zum Teufel dauerte das nur so lange? Kutrido wünschte sich, dass dieses vermaledeite Kind doch endlich zur Welt kommen möge, damit er endlich seine geliebte Frau wieder in die Arme schließen könne.

Da plötzlich war ein Schrei zu hören, so laut wie noch keiner zuvor. Und dann Stille. Yantala hob zum ersten Mal seit Stunden den Kopf und gab ein seltsames fauchendes Geräusch von sich. Dann wurde auch schon die dicke Holztür aufgeschwungen und die Hebamme kam mit bleichem Gesicht und einem Bündel Tücher im Arm in den Raum gestürzt.

"Herr", stotterte sie, "Herr, es ist etwas Furchtbares passiert!"

"Was ist los? So sprich schon, Weib!", fuhr Kutrido die Hebamme an. Sein Blick wanderte an der Frau vorbei in den Nachbarraum, wo er seine Frau leblos auf einem großen Bett liegen sehen konnte.

"Die Herrin... sie... sie ist tot!", stammelte die völlig aufgelöste Hebamme.

"Nein! Das darf nicht sein!", sagte Kutrido ungläubig, während er die ganze Zeit die Augen nicht von dem Körper seiner toten Frau nehmen konnte. In ihrem Gesicht waren noch die Höllenqualen abzulesen, die sie erlitten haben musste.

"Doch, Herr. Sie starb in dem Augenblick, als das Kind geboren wurde. Seht nur her - es schreit gar nicht." Die Hebamme hielt jetzt Kutrido das Bündel Tücher hin, das sie in ihren Armen getragen hatte.

Kutrido D'Eru löste langsam den Blick von seiner geliebten Frau und starrte nun mit hasserfülltem Blick das Kind an, dass in die Tücher eingewickelt war.

"Was ist das?" Kutridos Stimme bebte vor Zorn als er das Kind genauer betrachtete. "Ein Mädchen?! Soll das heißen, meine Frau ist für ein Mädchen gestorben?"

Kutrido war außer sich. Nicht nur, dass seine Frau - das einzige, was er auf dieser Welt je geliebt hatte - gestorben war. Nein, jetzt war dieses Kind auch noch ein Mädchen und somit als Nachfolger ungeeignet.

Er blickte dem Kind in seine gelben Augen und schrie es an: "Du bist für das alles verantwortlich! Verdammt sollst du sein! Ab heute wirst du den Namen eines Tieres tragen! Yantala sollst du heißen und genauso wie ein Tier sollst du auch behandelt werden! Ich, Kutrido D'Eru verdamme dich! Verdammt sollst du sein in alle Ewigkeit!"

Und mit diesen Worten schritt Kutrido D'Eru wutentbrannt aus dem Raum. Doch das Kind in en Armen der Hebamme schrie immer noch nicht, sondern blickte seinem Vater nur mit einem komischen Ausdruck in den Augen nach...



© 2001 by Daniel "Worm" Benkmann (worm@daniworm.de)