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Das Rollenspiel simuliert das
Leben, allerdings das einer völlig anderer Person in - nicht selten
- einer völlig anderen Welt und Zeit. Alles was wir vom Leben wissen
stecken wir ins Rollenspiel um die fiktive Welt um uns mit all ihren Ereignissen
realistischer darzustellen. Über das Thema was Leben ist gibt es viele
Interpretationen und bisher ist man sich wohl nur über einen Punkt
einig. Das Leben endet mit dem Tod - eine Maxime die einfach im Vertrag
des Lebens steht, und bisher unkündbar geblieben ist. So ist der Tod
also den Spielern in die Fantasiewelt gefolgt, um den Spielercharakteren
auf den Fersen zu bleiben - und nebenbei die Realistik der Spielwelt zu
wahren.
Der wohl bedeutendste Unterschied einer Spielwelt zur realen Welt ist das
Fehlen eines wirklich willkürlichen Faktors der über Tod und
Leben entscheidet. Die schiere Existenz eines Spielleiters macht solch
ein Konzept undurchführbar. Denn sein ist die Entscheidung, egal was
die Spieler oder die Würfel sagen. Sein Veto-Recht ist unumstößlich,
seine Macht unbegrenzt (zumindest im Rahmen des Spiels...). So ist der Spielleiter
der alleinige Gebieter über Tod und Leben in der fiktiven Welt - nicht
nur über das der SCs.
Eine interessante Eigenschaft des Todes ist seine Endgültigkeit.
Hat einmal einen Spielercharakter dieses undankbare Schicksal ereilt, gibt
es keinen Weg zurück ins Leben. (Die viel bejubelten Halbgötter
die es doch schaffen, unterstehen anderen Gesetzen als der gewöhnliche
Spielercharakter - somit stimmt der vorherige Satz doch.) Zähne knirschen
und Haare raufen ist die übliche Reaktion, niemand verliert gerne
etwas was er über die Jahre liebgewonnen hat. Der Drahtseilakt, welchen
ein jeder Spielleiter vollführt ist nicht einfach. Einerseits muß
er den Spielern Spaß bieten und realistisch bleiben, andererseits
darf er ihnen nicht das Gefühl vermitteln ihre Charaktere seien sowieso
unsterblich und dürften sich alles erlauben. Allein schon deswegen
ist der Spielleiter dazu berufen, dem Tod zu geben was das seine ist.
Aber wann ist die richtige Zeit den Sensenmann auf die Spielercharaktere
loszulassen? Man sollte sich diesbezüglich Gedanken machen, um keinen
unnötigen Haß der Spieler auf sich zu ziehen. (Ist ja gut, ich
weiss der Haß kommt sowieso - aber in dem Fall bleibt mein Gewissen
zumindest sauber...) Meiner Meinung nach hat es keinen Sinn danach zu fragen:
"Wer hat den Tod verdient?" Die Antwort ist nämlich: "Jeder." (Siehe
Vertrag des Lebens - Anlage: fällige Leistungen der lebenden Person,
letzter Punkt: Exitus - gültig ab Geburtsdatum.) Vergessen wir das
also und fragen stattdessen: "Wie bald hat man den Tod verdient?" Dies
ist besonders in einem Spieluniversum leicht zu beantworten, denn die Dummheit
eines Spielercharakters sollte in umgekehrter Relation zu seiner Lebenserwartung
stehen. Kurz gesagt: je dümmer das Verhalten um so kürzer das
Leben. Nun diesen Spruch hat eigentlich schon jeder von uns gehört.
Die Entscheidung darüber wann eine Aktion so dumm war, daß sie
mit dem Tod bestraft werden sollte, fällt nicht immer leicht.
Der Tod und der Tor
Es gibt spielleiterfreundliche Spieler, die keinen Hehl daraus machen,
daß sie gerade rücksichtslos dämlich Handeln. Ob sie das
einsehen oder nicht interessiert uns - Spielleiter - einen Dreck,
denn was zählt sind die Taten. Ein von sich grenzenlos überzeugter
(aber sehr dummer) Held, welcher beim Anblick eines Drachen lässig
meint: "Ziemlich viel Cash, was da rumliegt, Zeit meine Kasse aufzuwerten
und 'n paar Erfahrungspunkte zu sammeln!" ist ein Paradebeispiel. Die Einstellung
an sich wäre schon erschreckend, doch der Hammer kommt noch. Betrachtet
man die Spielwerte solcher Spießer stellt man meist bleichwerdend
fest, daß dieser SC den Drachen nach allen Regeln der Kunst fertig
machen würde! (Manche Systeme stellen Drachen schon fast putzig dar.)
Solch ignorante, respektlose und dreiste Gestalten verdienen den Tod -
manchmal sogar mehrfach. Der Spielleiter sollte nicht zögern die Regeln
zu biegen um den Spieler in die Schranken zu verweisen. Das anschliessende
Gespräch der beiden sollte das Fehlverhalten korrigieren - oder zumindest
einiges klarstellen.
Der Tod und der Hingebungsvolle
Manche Spieler jedoch sind in der Lage die Dummheit ihrer eigenen Aktionen
gekonnt hinter dem Vorwand der rollenspielerischen Darstellung des Spielercharakters
zu tarnen. Wie das Aussehen kann? Nehmen wir die oben erwähnte Situation,
in welcher der Spieler (einen Ritter verkörpernd) schreit: "Für
Ruhm und Ehre!" und seinen Rappen auf den Drachen zusteuert. Hier ist guter
Rat teuer, da man nur aufgrund der Umstände eine einigermassen faire
Entscheidung treffen kann. So könnte der Drache aus einer Laune heraus
befinden dem Störenfried eine Lektion zu erteilen (wiederum hilft
hier ein Blick auf des Recken Werte, damit man den Drachen und sich selbst
nicht kompromittiert...). Im Zweifelsfall ist es immer günstig die Gefahrenquelle
zu entfernen (der Drache ignoriert den Ritter und fliegt majestätisch
von dannen). Hat man jedoch befunden, daß hier ein Fehlverhalten
vorliegt, und man zur Urteilsvollstreckung ansetzt, so wäre es vielleicht
klug dieses Schauspiel unvergesslich zu gestalten und dem Ritter einen
Beinahe-Sieg zu gestatten - schließlich war sein Handeln dreist,
doch rollenspielerisch durchaus nachvollziehbar.
Der Tod und der Unglückliche
Manchmal geht sogar eine gut durchdachte Aktion eines Spielers das Klo
runter - sei es weil das Würfelglück dem Spieler fehlte, oder
weil eine Information, die eine Situation ins rechte Licht rücken
würde, nicht vorhanden war etc. Ich habe eingangs erwähnt, daß
der Tod im Rollenspiel keine Sache des Zufalls ist und demnach sollte der
Spielleiter Gnade walten lassen, wenn allein das Pech den Spieler heimsuchte
anstelle eines monströsen Anfalls von Dummheit. Diese Verfahrensweise
kann aber nicht ewig aufrechterhalten werden, sonst läuft man Gefahr
das Spiel ins Lächerliche zu ziehen. Besonders wenn Patzer mit im
Spiel sind, ist es vielleicht an der Zeit einem vom tödlichen Unglück
verfolgten Spielercharakter die ewige Ruhe zu gönnen.
Ganz entschieden sollte man Härte zeigen, wenn eine schier aussichtslose
Aufgabe in Angriff genommen wird und selbst das wiederholte Scheitern die
Spieler nicht an neuerlichen Versuchen stoppen kann. ("Ich spucke dem Gegner
ins Auge und blende ihn! Hm... der Wurf ist hoch, Dreck schon wieder nicht
gelungen - dafür nehme ich jetzt eine Wunde! Das nennt man Pech...
Was soll's? Auf ein neues!") So etwas hat im allgemeinen nicht das geringste
mit Pech zu tun - denn die Spieler sollten fähig sein aus ihren Fehlern
zu lernen.
Der Tod und der Querdenker
Es geschieht immer wieder, daß Spieler die Fantasy-Welt mit ihren
Gesetzen nicht allzu ernst nehmen. Manche gehen sogar soweit, zu zeigen,
daß die Regeln des Universums sie nicht wirklich angehen. Demonstrationen
dieses Mangels an Respekt können mehr oder weniger kreativ sein: Bepinkeln
öffentlicher Einrichtungen, mächtige Persönlichkeiten werden
behandelt als würde man sich mit ihnen schon seit langem regelmäßig
zusaufen - alles in einem: dem Spieler mangelt es an Anpassungsfähigkeit.
Besonders in den RPGs, welche längst vergangene Epochen als Schauplatz
der Ereignisse gewählt haben, geht man mit solchen Individuen unsanft
um. Motto: Wer sich nicht anpasst wird früher oder später als
Hexe entlarvt (sehr bequem und sehr effizient). Aber auch Charaktere, welche
einen schlechten Einfluss auf die fiktive Welt haben (sei es weil sie verbotenes
Wissen ans Volk verscherbeln, zweifelhaftes Gedankengut sähen usw.)
könnten sich eines Tages mit einem wildgewordenen Mob konfrontiert
sehen, den es nach ihrem Blut verlangt... (Wiederum braucht man die Hexenidentität
des Angeklagten, was jedoch - wie uns die Geschichte lehrt - nicht wirklich
ein Problem ist.)
So amüsant solche Szenen auch sein können (für den Spielleiter
versteht sich), man sollte den Querdenker Warnungen zukommen lassen und
erst nach wiederholtem Fehlverhalten die Höchststrafe verhängen.
Der Tod und der Held
Zu den schönsten klassischen Situationen im Rollenspiel gehört
zweifellos das Opfern eines eigenen Spielercharakters um die restliche
Spielergruppe (oder weitaus nobler sogar: NSCs) vor dem sicheren Tod zu
bewahren. Ab und zu kann es passieren, daß sich ein Spieler dazu
entschließt, auch wenn der Spielleiter so etwas gar nicht an dieser
Stelle geplant hatte. Die Geste allein ist nobel, die Entscheidung fällt
dem Spieler sicher nicht leicht (wer trennt sich schon gerne von seinem
Charakter?) und somit sollte diese Tat vom Spielleiter respektiert werden.
Dieser Respekt kann durchaus so aussehen, daß man dem Spielercharakter
ein überaus heldenhaftes Ableben gestattet, welches auf ewig in den
Legenden der fiktiven Welt festgehalten wird (war Gandalfs Selbstopfer
in Moria nicht ein bewegendes Schauspiel?).
Sterben lassen will gelernt sein
Nachdem nun mehr oder weniger klar ist, wann es erlaubt bzw. notwendig
ist den Tod sein Handwerk verrichten zu lassen, wäre es an der Zeit
sich darüber Gedanken zu machen wie man es anstellt. Der wohl unangemessenste
Spruch den ein Spielleiter je aufsagen kann ist: "Du bist tot, geh' und
erschaffe einen neuen Charakter!" Wie einfallslos! (Angesichts solcher
Kreativität ist es kein Wunder, wenn die Spieler dem SL sofort an
die Kehle gehen...)
Der Tod eines Charakters ist gleichzeitig der Abschied von ihm, und
sofern er nicht blutjung draufging, ist es angemessen ihm die letzte Ehre
zu erweisen. Abschiedsworte machen sich gut um ihn besser in Erinnerung
zu behalten und eine erhabene Atmosphäre zu erschaffen. Aber da es
alles sowieso fiktiv ist, steht eigentlich nichts im Wege, um den Tod richtig
auszuspielen, in dem man ihn vielleicht als Person einsetzt. Nicht wirklich
als NSC, da sich jegliche Werte erübrigen, aber als eine greifbare
Verkörperung des Schicksals, die den Charakter auf seiner letzten
Reise begleitet. Faustregel: je stimmungsvoller, um so besser - und keine
zweimal gleich!
Wie wir sehen, kann der Tod im Rollenspiel genauso als Werkzeug des
Spielleiters benutzt werden wie alles andere. Interessanterweise muß
er nicht immer als Strafe eingesetzt werden, sondern manchmal eher als
Belohnung... Sein Einsatz sollte jedoch immer mit Respekt angegangen werden,
da die Konsequenzen für die Spieler endgültig sind, und selten
spassig - und wir dürfen nie vergessen, daß wir Rollenspiel
zum Spaß betreiben (ich werde niemals müde dies zu predigen).
Ich bin mir der Tatsache wohl bewußt, daß ich hiermit ein
schwieriges Thema angeschlagen habe. Auch bin ich nicht der Erste und nicht
der Letzte, der sich dazu entschlossen hat, seine Gedanken dazu niederzuschreiben.
Ich wäre sehr dankbar für euere Meinungen zu diesem Thema.
Zum Schluß ein guter Rat: Fürchtet den Tod nicht - respektiert
ihn!
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