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Wer suchet, der findet
Pamphlet für den Mut, sich eine neue Gruppe zu suchen
(von Calion)

Man setze zwei Rollenspieler in einen Raum und lausche ... wenn nach 5 Minuten immer noch kein Gespräch über unbegabte Meister und halbinteressierte Mitspieler einsetzt, hat man tatsächlich zwei Rollenspieler einer ganz besonders seltenen Spezies gefunden, jene die restlos mit ihrer Spielgruppe zufrieden sind.

OK. Man könnte nun sagen, Nörgeln gehört zum Rollenspiel wie das Klappern zum Handwerk, und wie beim Hobeln die Späne fallen, so muß beim Rollenspiel immer irgendeiner den anderen den Spaß verderben. Mal ist's der Meister, der seine Machtgelüste austoben will und von den Spielern gnadenlos den Spaß einklagt, den er beim Schreiben seiner achsohypertollen Megastory hatte. Das nächste Mal sind's die Spieler, die sich einmal mehr zum allwöchentlichen Gaudimax treffen, und ohne Ende Witze produzieren, bei denen selbst Mike Krüger kotzen müßte.

Manchem dürfte auch die folgende Situation nicht unbekannt sein: Das Spiel ist zu Ende, die AP sind vergeben, die Charakterbögen werden eingepackt, Ciao bis nächste Woche, blitzschnell leert sich der Raum. Zurück bleiben ein frustrierter Meister und ein eng befreundeter Spieler, die noch 2 Stunden später darüber debattieren, was man tun könnte, damit die anderen endlich begreifen, was "Rollenspiel" bedeutet. Irgendwann ist dann all das gesagt, was man sich schon zigmal vorher gesagt hat, und man kann sich voller Hoffnung und Elan zum nächsten Rollenspiel-Dejavu verabreden.

Unmöglich, alle Varianten aufzuzählen. Wer studienhalber an Storys dieser Art interessiert ist, möge sich mal in den diversen Newsgroups umsehen. Da gibt es eigentlich immer jemanden, der gerade "ein Problem mit meiner Gruppe" oder auch "ein Problem mit unserem Meister" hat. Interessant auch: Gerade zu diesen "Verzweiflungsrufen" weiß fast jeder was zu sagen, ob nur ein tröstendes Wort oder auch einen handfesten Tip. Offensichtlich kennen sich da alle ganz besonders gut aus!

Das eigentlich Faszinierende daran ist aber die Beharrlichkeit, mit der sich die Leute in ihrer Unzufriedenheit suhlen. Die klassische Frage ist "Meine Spielgruppe ist Kacke. Wie kann ich sie dazu bringen, besser zu werden?!" Die Frage "Meine Spielgruppe ist Kacke. Soll ich mir eine neue suchen?!" habe ich jedenfalls noch nirgendwo gelesen!

Dabei wäre gerade das die einzig richtige Reaktion! Die Welt ist voll mit Leuten, die gerne und gut Skat spielen, aber mit Schach nichts anfangen können! Und von denen, die gerne Schach spielen, kann es noch lange nicht jeder so gut, daß er für einen ehrgeizigen Schachspieler ein adäquater Gegner wäre! Das ist beim Rollenspiel nicht anders! Mehr noch: Es ist viel komplizierter als beim Schach. Denn es geht nicht nur darum, Menschen zu finden, die mit vergleichbarer "Ernsthaftigkeit" bei der Sache sind, sie müssen auch vom "Fantasy-Feeling" zueinander passen. Der begeisterte "Schwarzmagier" mag ein hervorragender Rollenspieler sein, und die ständigen Konflikte, die er in einer "moralbetonten" Spielgruppe (Praiospriester und so) erzeugen wird, mögen durchaus "witzig" sein, aber ob's dauerhaft den Spielspaß fördert?!

Sicher: Freunde sind Freunde. Man kennt sich, man mag sich, man verbringt gerne die Zeit miteinander. Dagegen ist nichts zu sagen. Wer aus einer solchen Runde aber eine wirklich gute Rollenspiel-Gruppe schmiedet, der sollte Lotto spielen! Das Rollenspiel ist ein echtes Spezial-Hobby, es ist eine "Fertigkeit". Würde man Menschen durch Charakterbögen beschreiben, so wäre das ein separates "Talent", mit einem Charakter-Grundwert und der Möglichkeit zu steigern!

Wer nur "Geselligkeit" im Freundes- oder Bekanntenkreis sucht, der mag das auch mit Rollenspielen machen. Das kann jede Menge Spaß bringen! Gar keine Frage! Aber beschwert euch verdammt nochmal nicht, wenn eure Freunde und Freundinnen nicht die "künstlerischen" Höhen des Rollenspiels erklimmen, die ihr erhofft habt. Wer viel will, muß auch bereit sein, etwas dafür zu tun, eben mehr zu tun als nur zu seine Bekannten zusammenzutrommeln. Der muß auf die Suche gehen, muß sein ganz persönliches "Casting" betreiben, um so die Menschen finden, mit denen er seine Vorstellung von Rollenspiel verwirklichen kann: Schwarze Bretter gibt es genug - ob an der Uni oder im Spieleladen! Das wird zwar auch nicht im ersten Anlauf perfekt gelingen (andernfalls: Lotto spielen!), aber irgendwann solltet Ihr sagen können:

Der Mut, sich eine neue Gruppe zu suchen, lohnt sich!


© 1997 by Calion

 

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