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Respekt
(von Daniel Benkmann, worm@daniworm.de)

Ich könnte wirklich ein dutzend "Dummheit?"-Artikel verfassen und ich bedaure fast schon, daß ich dort das noch minder dumme Beispiel vom Hühnerstall herangezogen habe, denn bei unseren letzten Sitzungen haben meine Spieler noch ein paar um einiges blödere Aktionen (oder sollte ich sagen "Reaktionen") fabriziert, die eigentlich schon reif fürs Guinness-Buch der Rekorde als "Dümmste Spieleraktionen der Rollenspielgeschichte" sind. Und selbst wenn es meine Spieler im Nachhinein immer verstehen sich irgendeine hirnrissige Rechtfertigung einfallen zu lassen (wie die Gegenartikel zu "Dummheit?"), kann ich wohl guten Gewissens sagen, daß sie, wenn es um logisches Handeln geht, nicht gerade Weltmeister sind (noch nicht einmal Regionalmeister). Das Schlimme ist ja, daß ich meine Spieler fortwährend in meinen Artikeln beleidige (wie jetzt auch gerade), aber sie trotzdem nichts daraus lernen (und wir deswegen auch immer noch an demselben Abenteuer rumspielen). Naja, dann geht mir wenigstens nicht der Stoff zum Schreiben aus. (In letzter Zeit entwickle ich einen regelrechten Haß auf meine Spieler, weswegen ich beschlossen habe endlich mal wieder selber zu spielen und wenigstens kurz das meistern zu vernachlässigen.)

Heute will ich mich mit etwas befassen, das mir während dem ganzen Abenteuer, das wir gerade leider immer noch spielen, aufgefallen ist, und ich werde es in meiner mir so eigenen Art mal wieder gnadenlos verallgemeinern und als schlechtes Rollenspiel bezeichnen. Es geht um die vom armen, leidgeplagten Meister (oder Spielleiter für alle DSA-Hasser, von denen es leider sehr viele gibt) geführten Meisterpersonen oder Nichtspielercharaktere und ihre Beziehungen zu den Spielercharakteren.

Fangen wir am besten wieder mit einem aktuellen Beispiel an: Meine Spieler treffen also im besagten Abenteuer (langsam frage ich mich, ob wir je ein anderes gespielt haben) auf einige höherrangige Praiosgeweihte, die sich ja bekanntermaßen durch ihre Strenge und ihre Engstirnigkeit auszeichnen, weshalb auch 99 Prozent der Bevölkerung vor ihnen Schiss haben, gerade auch weil sie durchaus über weltliche Macht verfügen. Na, ihr wisst bestimmt schon, auf was ich hinaus will: Meine Spieler zählen sich zu den anderen 1 Prozent der Bevölkerung und scheren sich nicht die Bohne darum, wer da vor ihnen steht, dabei gebe ich mir als Meister wirklich Mühe, die Kerle autoritär wirken zu lassen und drohe den Spielern sogar wegen ihrer Respektlosigkeit mit "Konsequenzen" (die schließlich für unseren Magier auch eintraten). Aber die Spieler kümmert das herzlich wenig und sie widersprechen den Praiosgeweihten (darunter einer wirklichen hohen Ranges - das ist so als würdest du dem Papst widersprechen) und scheren sich wenig um ihre Anweisungen.

Nun, ich sehe durchaus ein, daß die Helden nicht ganz mit der autoritären Art der Geweihten zurecht kommen und es ist auch durchaus beabsichtigt, daß sie im Verborgenen gegen die Bestimmungen verstoßen, da sie sonst kaum weiterkommen würden, aber darum geht es ja gar nicht. Es geht um die Art, wie die Helden oder besser die Spieler auf gewisse Meisterpersonen reagieren. Später in dem Abenteuer treffen die Spieler auf einen mächtigen Druiden, dessen Macht sie bereits zuvor mehrmals erleben durften und dessen Ruf legendär ist. Aber anstatt in Ehrfurcht zu erstarren und das Gegenüber vorsichtig zu sondieren, fangen sie sogleich an, ihn mit Fragen zu bewerfen und geben mir als Meister das Gefühl, als würde ich gerade den dummen Strassenjungen von nebenan verkörpern.

Traurig aber wahr - dieses Verhalten beweist mir mal wieder, daß meine Spieler keine besonders guten Rollenspieler sind. Als gute Rollenspieler müßten sie sich in die Person, die sie gerade verkörpern, hineinversetzen können und auch NSCs durch die Augen ihres Charakters sehen. Und der würde sich bestimmt nicht einem Praiosgeweihten gegenüber respektlos verhalten oder vor dem bösen Schwarzmagier keine Angst haben. Das ist genauso wie im wirklichen Leben. Da würde ich mich dem Dalaih Lama (oder wie man den schreibt) gegenüber auch nicht einfach so respektlos verhalten, selbst wenn ich seinen Glauben nicht teile, ganz zu schweigen von einigen Personen, die eine dermaßen große natürliche Autorität besitzen (wie unser Mathelehrer), daß ich von vorneherein meinen Mund halte.

Das Problem beim Rollenspiel ist, daß der Meister alle diese Personen verkörpern muß und niemand kann erwarten, daß er ein genialer Schauspieler ist oder daß er als Knirps im wirklichen Leben plötzlich furchteinflößend wirken kann. Es ist eindeutig die Aufgabe der Spieler dem Meister dabei zu helfen, die NSCs möglichst realistisch darzustellen (besonders, wenn der Meister mehrere NSCs gleichzeitig führen muß) und das kann der eben nur, wenn sie auf die entsprechende Person richtig reagieren. Also den dahergelaufenen Bettler mit Abscheu oder ein bißchen Mitleid betrachten und vor dem Kaiser nur herumdrucksen und nicht wagen das Wort zu erheben, wenn man nicht gefragt ist.

Die Spieler müssen sich eben klar machen, daß der Kerl da vor ihnen nicht ihr alter Kumpel Otto Normalverbraucher ist, sondern Conan, der schnellste Hamburgerweitwerfer der ganzen Welt. Es hat absolut keinen Sinn, wenn sich der Meister Mühe gibt und seinen NSC autoritär wirken lassen will, wenn die Spieler ihm ein gelassenes "Reg dich ab, Alter!" entgegenschleudern. Natürlich kommt es bei der Art, wie ein Spieler auf einen NSC reagieren sollte, auf seinen Charaktertyp an, aber selbst der respektloseste Prolocharakter (nicht -spieler) wird sich einem Taschendieb gegenüber nicht genauso verhalten wie gegenüber "Stampfkeule", dem halbgöttlichen Mischlingswesen zwischen Hund und Hamster, das die halbe Welt beherrscht.

Die Interaktion mit NSCs ist eines der wichtigsten Dinge überhaupt beim Rollenspiel (wenn nicht das wichtigste) und wenn die Spieler dort versagen, dann kann man gleich eine Partie Mensch Ärgere Dich Nicht spielen.


© 1997 / 2001 by Daniel "Worm" Benkmann

 

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