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So, nach meinem letzten Artikel, der eher aus der Reihe geschlagen ist,
will ich mich nun wieder etwas konkreteren Themen widmen. Der pfiffige
Leser ahnt an Hand meiner wie immer äußerst ausdruckskräftigen
Überschrift schon, worum es geht, nämlich um die von so Manchem
heiß geliebten Kämpfe, Schlachten, schlagkräftigen Auseinandersetzungen
und Streetfights, die aus fast keinem Rollenspiel hinwegzudenken sind.
Um es aber gleich vorneweg zu sagen: Ja, ich weiß, daß es euch
irgendwo da draussen gibt, ihr pazifistischen Rollenspielgruppen, die ihr
selbst mit Moskitos lieber eure Differenzen ausdiskutiert, anstatt sie
einfach zu zerquetschen, und selbst im übelsten Massenmörder
nur das ihm innewohnende Quentchen Gute seht. Also, meine lieben, sanftmütigen
Freunde, mit der Aussage, daß in keiner Rollenspielgruppe irgendeine
Art Kampf wegzudenken ist, will ich euch keinesfalls beleidigen und wünsche
euch im Gegenteil noch viel Spaß beim Blumenpflücken.
Ähm, aber wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei dem Stellenwert
von Kämpfen im Rollenspiel. Nun, daß der Kampf tatsächlich
einen sehr hohen Stellenwert hat, läßt sich an mehreren Faktoren
leicht erkennen. Wer kennt sie zum Beispiel nicht, die liebenswürdigen
Krieger, Strassensamurais und orkschlachtenden Zwerge, deren Ausrüstung
zu 90 Prozent aus "Ersatz"-Waffen besteht und die stets nur ihre Stärke
und Kampffähigkeiten steigern?
In der Tat sind viele der sogenannten "Powergamer"
nur entstanden, weil der Kampf im Rollenspiel so "wichtig" ist, oder vielmehr
für diese Spieler so wichtig erscheint. Da der Kampf logischerweise
auch die einfachste Gelegenheit ist, in der ein Charakter zu Schaden kommen
kann, oder, abstrakt gesagt, "verlieren" kann und da es einfach in der
Natur des Menschen liegt, nicht der "Verlierer" sein zu wollen, powern
viele Spieler ihren Charakter nur in Hinsicht auf den Aspekt "Kampf" auf
und vernachlässigen andere Dinge.
Leider unterstützen die meisten Rollenspielsysteme diese Denkweise
und geben dem Kampf einen hohen Stellenwert - oder wie viele Rollenspielsysteme
kennst du, in deren Hauptregelbuch keine fetter Abschnitt (wenn nicht gar
der fetteste) über den Kampf zu finden ist (Achtung, dies ist eine
rhetorische Frage! Bitte keine "In meinem System ist das aber viel besser"-Mails!)?
Auch sind für viele Rollenspielsysteme extra Regelbücher zum
Kampf oder mit neuen Waffen erschienen, und das schließlich nicht
ohne Grund. Solche Erweiterungen verkaufen sich einfach gut.
Hinzu kommt, daß in kaum einem anderen Bereich so viel Wert auf
realistische Regeln gelegt wird wie beim Kampf, der zugegebenermaßen
ein komplexes Thema ist, aber warum gibt es z.B. nicht genauso viele Regeln
für das Springen? Masse, Luftwiderstand, Geschwindigkeit, Kraft, Sprungart,
Windgeschwindigkeit, etc. - für all diese Faktoren müßte
man doch Regeln machen! Grundsätzlich ist eigentlich alles, was man
aus der Realität in Regeln fassen will, unglaublich kompliziert. Warum
aber macht man sich gerade beim Kampf soviel Mühe?
Wenn ich in Newsgroups die üblichen Vergleiche von Rollenspielsystemen
zu lesen bekomme, dann werden zwei Systeme nicht selten an Hand ihrer Kampfregeln
miteinander verglichen ("DSA Kampfregeln sind scheiße, RoleMaster
ist viel besser!") und wenn ich im Internet Rollenspielseiten aufsuche,
dann haben die meisten selbstgeschriebenen Regeln auch etwas mit dem Kampf
zu tun (Ich selbst bilde da keine Ausnahme). Warum zum Geier sind diese
Regeln und der Kampf an sich denn so wichtig?
Der Ursprung davon ist natürlich in unserer Gesellschaft zu finden,
in der Auseinandersetzungen jeglicher Art fester Bestandteil des Lebens
sind. Allerdings kann ich im realen Leben natürlich nicht einfach
mit der Kettensäge durch die Fußgängerzone laufen und Leute
umbringen - im Rollenspiel ist dies möglich und diese Möglichkeit
wird von vielen dankend angenommen (Wenn auch nicht unbedingt das Beispiel
mit der Kettensäge). Aber was schreib' ich da eigentlich?? Ich will
hier keineswegs wieder die "Rollenspieler sind Massenmörder und haben
keinen Bezug zur Realität" - Diskussion aufwärmen. Jeder kann
sich ohnehin selber denken, wohin das führen würde. Überdies
kann man dieses Thema keineswegs verallgemeinern und die Rollenspieler,
die ich kenne sind absolut keine kranken Soziopathen, also vergessen wir
das Ganze einfach wieder.
Worauf ich hinaus wollte, war auch nur, daß der Kampf in der Tat
einen hohen Stellenwert im Rollenspiel einnimmt und daß er meist durch äußerst
viele Regeln geregelt ist. Werden wir jetzt aber ein wenig konkreter und
beschäftigen uns mit dem eigentlichen Ausführen eines Kampfes
im Rollenspiel. Ich will an dieser Stelle nicht von irgendwelchen Duellen
oder Kämpfen mit wenigen Beteiligten reden, die erfahrungsgemäß
wenige Probleme machen und dazu noch stimmungsvoll und spannend sind,
sondern von den unvermeidlichen "Massenschlachten".
Eine Rollenspielgruppe
besteht im Durchschnitt vielleicht aus 4 Spielern, die alle ihren Charakter
in den Kampf führen. Der Spielleiter will den Spielern natürlich
eine Herausforderung bieten und passt entsprechend die Opposition an. Wenn
die Charaktere also nicht gerade gegen einen mächtigen Dämon
oder Drachen (oder gar einem Dämonendrachen) kämpfen, haben sie
es wahrscheinlich mit ungefähr 5 oder mehr Gegnern zu tun, da die
Feinde meist den Charakteren unterlegen sind und dies vom Spielleiter durch
eine entsprechende Menge wegkompensiert wird. Es gilt also jetzt für
mindestens 9 verschiedene Kampfbeteiligte, Aktionen zu überlegen und
diese auch noch auszuführen!
Ich habe schon viele solche Schlachten erlebt und nur die Wenigsten
waren in unter einer Stunde Realzeit beendet. Hier kommen dann auch die
allseits beliebten, "je realistischer desto besser" Kampfregeln zum Einsatz
und selbst, wenn diese so simpel sind wie die DSA-Regeln (Im Grunde einfach
immer nur Attacke und Parade auswürfeln), hatten wir erst letztens
einen Kampf, der über 2 Stunden gedauert hat (Okay, bei DSA gibt es
noch das Problem mit der hohen Lebensenergie, das die Kämpfe in die
Länge zieht). Kommen dann noch Sonderregeln wie zum Beispiel Trefferzonen,
Sichtmodifikatoren oder Behinderungen durch Verletzungen zum Einsatz, dann
glüht der Würfel und das Regelbuch läuft heiß. Und
natürlich haben wir es mit einem guten Spielleiter zu tun, der jede
einzelne Kampfhandlung ausführlichst beschreibt ("Und jetzt sticht
dir der Einarmige Mann mit dem langen, verfilzten grauen Bart, den blauen
Augen und der lilablaßblauen Hose, in deren Taschen drei Löcher
sind, mit einem langen, dürren Finger, unter dessen gelblichen Fingernägeln
sich der Dreck angesammelt hat, in die linke obere Ecke deines rechten
Auges, so daß dich ein Schmerz durchzuckt, der eine Mischung ist
aus ...") und seine Spieler tun ihm dies natürlich gleich. Da kann
sich ein Kampf schon ganz schön hinziehen und spätestens nach
der zweiten Stunde und dem dreihundertneunundzwanzigsten "Ich trete ihm
mit der rechten Aussensohle meines linken Stiefels in die linke, obere
Bauchspeicheldrüse" wird das Ganze sowohl Spielern als auch Spielleitern
zu blöd. Na Gut, ich kenne einige Personen, denen ein Kampf auch nach
fünf Stunden nicht zu blöd wird und für die ein Rollenspielabend
ohne Kampf eine Katastrophe ist, aber mir persönlich hängen Kämpfe
langsam zum Hals heraus. Natürlich können Kämpfe auch spannend
sein und sind oft nicht zu vermeiden, aber wenn ich irgendwelche Würfelorgien
abhalten will, dann spiele ich kein Rollenspiel, sondern "Mensch ärgere
dich nicht" oder ein anderes Brettspiel.
Nach vielen Jahren Rollenspielerfahrung einen Kampf noch interessant
zu machen bzw. zu finden, ist wahrlich nicht leicht, denn die meisten Kämpfe
ähneln sich in gewisser Weise doch irgendwie und hinzu kommt, daß
einem durch den Kampf wichtige Stunden verloren gehen, die man mit "richtigem"
Rollenspiel hätte verbringen können. Was kann man also tun?
Nun, zuerst mal sollte man als Spielleiter von vornherein in sein Abenteuer
nicht viele Kampfsituationen einbauen, oder zumindest keine solchen Massenschlachten,
die sich ewig hinziehen. Ein paar Kämpfe werden fast immer unumgänglich
sein, da erstens meist der Hintergrund der Rollenspielwelt nicht gerade
friedlich ist und Kämpfe zur Tagesordnung gehören, und da zweitens
die Charaktere ja auch herausgefordert werden und ruhig auch mal mit dem
Tod konfrontiert werden sollen (und nur Fallen als Gefahr für die
Charaktere einzubauen ist etwas einseitig). Man kann die Anzahl von Kämpfen
in einem Abenteuer aber durchaus gering halten und dies hat dann zusätzlich
noch den Effekt, daß Kämpfe allgemein mehr an Reiz gewinnen,
denn wenn man andauernd am Kämpfen ist, ist ein Kampf nichts Besonderes
mehr.
Die Spieler sollten sich auch darum bemühen, möglichst
wenig Kämpfe zu provozieren, indem sie alternative Möglichkeiten
suchen, um einen Konflikt zu lösen (und der Meister sollte den Spielern
solche Möglichkeiten offenlassen) oder einfach mal nicht in jeder
Kneipe gleich eine Schlägerei anzetteln. Nicht selten macht es mehr
Spaß, einen Konflikt zu umgehen oder seine Gegner zu täuschen,
als einfach immer stupide auf alles einzuhauen, was Probleme macht.
Ein Unding, daß viele Spielleiter auch öfters benutzen, sind
solche "Zufallsbegegnungen" wie zum Beispiel eine Gruppe marodierender
Goblins oder Wegelagerer, die einfach so die Charaktere angreifen und in
einen Kampf verwickeln. Solche unmotivierten Kampfeinlagen kann man sich
wirklich sparen und man sollte die Zeit lieber mit dem Lösen des Abenteuers
verbringen (wobei gegen andere Zufallsbegegnungen allgemein eigentlich
nichts einzuwenden ist).
Massenschlachten lassen sich manchmal vielleicht auch vermeiden, indem
man nur zwischen den Anführern der beiden Parteien ein Duell veranstaltet,
was sehr stimmungsvoll und spannend sein kann. Ist eine Massenschlacht
wirklich irgendwann mal unvermeidlich, dann sollte man vielleicht nicht
auf allen Sonderregeln bestehen und lieber mit dem gesunden Menschenverstand
entscheiden, ob der Schlag dem Gegner jetzt vielleicht den Arm abgetrennt
hat, oder ganz auf solche Spitzfindigkeiten verzichten und den Kampf einfach
etwas abstrakter betrachten.
Jede Gruppe muß eben ihren eigenen Weg finden, wie sie mit Kämpfen
umgeht, aber niemand sollte versäumen überhaupt mal darüber
nachzudenken, wie wichtig ihm eigentlich Kämpfe sind und ob
das Rollenspiel nicht vielleicht auch mehr zu bieten hat.
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